Der beklagte Pkw-Fahrer kollidierte mit dem klagenden Motorradfahrer, als dieser wenden wollte. Der Kläger wurde erheblich verletzt und erlitt u. a. einen komplizierten Speichenbruch, eine HWS-Distorsion, eine Bauchwandprellung und dauerhafte Sensibilitätsstörungen der Hand. Er war über vier Monate krankgeschrieben und in der Haushaltsführung eingeschränkt. Die Haftpflichtversicherung des Pkw-Fahrers hat den Schaden am Motorrad sowie ein Schmerzensgeld von 5.000 € gezahlt. Der Kläger nimmt den Beklagten unter anderem auf Zahlung weiteren Schmerzensgelds und Ausgleich des erlittenen Haushaltsführungsschadens in Anspruch. Nach Auffassung des LG musste der Beklagte vollständig für die Unfallfolgen einstehen. Dabei hielt es ein Schmerzensgeld von 10.500 € für angemessen und sprach auch den geforderten Haushaltsführungsschaden zu. Mit der Berufung begehrte der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Damit hatte er hinsichtlich der Positionen Schmerzensgeld und Haushaltsführungsschaden auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das OLG nahm vielmehr erstmals unter den Obergerichten auf neuerer Methodik beruhende Berechnungen vor und verurteilte den Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 11.000 € sowie eines Haushaltsführungsschadens von 1.500 €.

Das Schmerzensgeld diene dem Ausgleich nicht vermögensrechtlicher Schäden. Bei der Bemessung des zu schätzenden Betrages stehe der konkrete Einzelfall im Mittelpunkt. Tabellenmäßig erfasste Schmerzensgeldentscheidungen anderer Gerichte seien dabei weder Maßstab noch Begrenzung. Angemessener sei eine Methode, die die taggenaue Berechnung unter Berücksichtigung der im Zeitablauf unterschiedlichen Behandlungsarten (Krankenhaus, Reha) und Schadensfolgen ermögliche. Diese neue Berechnungsweise könne durch die größere Bedeutung des Zeitmoments auf Dauer dazu führen, dass bei langfristigen Beeinträchtigungen deutlich höhere Schmerzensgelder ausgeworfen werden, während bei geringen Beeinträchtigungen die Schmerzensgelder deutlich vermindert werden könnten, jeweils im Vergleich zu den heute ausgeurteilten Schmerzensgeldbeträgen. Die neue Berechnungsweise basiere auf einem prozentual ausgedrückten Tagessatz des vom Statistischen Bundesamt ermittelten jährlichen durchschnittlichen Bruttonationaleinkommens je Einwohner, welcher mit einem weiteren prozentual ermittelten Faktor für den Grad der Schädigungsfolgen multipliziert werde. Auf das persönliche Einkommen des Geschädigten komme es in diesem Zusammenhang nicht an, da Schmerz von allen Menschen gleich empfunden werde. Ähnliche Berechnungsweisen seien in anderen europäischen Ländern zur Vereinheitlichung von Schmerzensgeldberechnungen lange anerkannt. Der sog. Haushaltsführungsschaden könne ebenfalls nicht zufriedenstellend über die bisher zur Verfügung stehenden Tabellen ermittelt werden. Er diene dem Ausgleich von Einbußen für die Eigen- und ggf. Fremdversorgung anderer Haushaltsmitglieder. Die üblichen Tabellen beruhten auf traditionell begründeten Unterscheidungen hinsichtlich des Zuschnitts der jeweiligen Haushaltsführung. Nach Ansicht des OLG finden in modernen Haushalten weitaus mehr Maschinen Einsatz als früher, es werde insgesamt weniger Wert auf klassische Vorbereitung oder auch klassische Darbietung des Essens gelegt. Die neuen Tabellen, die auf aktuellen Erhebungen und Auswertungen des Statistischen Bundesamts beruhen, differenzierten zwar auch hinsichtlich des Haushaltszuschnitts, berücksichtigten dafür aber allein die praktikable Unterscheidung in Form des verfügbaren Nettoeinkommens. Auf dieser Basis könne eher ein durchschnittlicher wöchentlicher Stundenaufwand für die Haushaltsführung ermittelt werden. Dieser Stundenaufwand sei mit einem Stundensatz für einfache Haushaltsarbeiten zu multiplizieren. Orientierung biete dabei zunächst der gesetzliche Mindestlohn. In besonders gehobenen Haushalten könne dieser Betrag angemessen – wie hier – auf 10 € je Stunde erhöht werden. (OLG Frankfurt, Urt. v. 18.10.2018 –  22 U 97/16; nrkr.)

Fazit:  Das OLG Frankfurt/Main berechnet Schmerzensgeld anhand einer neuen, taggenauen Methode und berücksichtigt beim Haushaltsführungsschaden den moderneren Zuschnitt der Haushalte und den gesetzlichen Mindestlohn.

15.11.2018

Referat Zivilrecht

Uwe Karsten
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht

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