Seit dem 28.04.2020 gilt der verschärfte Bußgeldkatalog – es wurde teurer und Fahrverbote drohen schon ab 21 km/h innerorts bzw. 26 km/h außerorts. Das Verkehrsministerium denkt laut darüber nach, die Verschärfungen abzumildern. Fachleute halten die gesamte StVO-Novelle, vor allem im Hinblick auf die Änderungen bei den Fahrverboten, für schlichtweg unwirksam.
Der Grund ist ein einfacher: Bei der StVO-Novelle wurde das das sog. Zitiergebot des Grundgesetzes (GG), das für sie und die sie ändernden Verordnungen als Rechtsverordnungen nach Art. 80 GG gilt, verletzt.
Allgemeines zum sogenannten Zitiergebot findet derjenige, der sich intensiver damit befassen möchte, zum Beispiel unter folgenden Zitatstellen:
- BVerfG NVwZ 14, 1219; 20, 220; zur Verletzung des Zitiergebots bei der sog. Schilderwaldnovelle VA 13, 89;
- Deutscher, VRR 10, 168;
- Schubert, NZV 11, 369, 373.
Dieses verfassungsrechtlich zwingend vorgeschriebene Zitiergebot verlangt ganz einfach, dass die dem Erlass einer Verordnung zugrundeliegende “Ermächtigungsgrundlage” unbedingt genannt werden muss.
Was sind die Folgen? Das Bundesverfassungsgericht urteilt über Verstöße gegen das Zitiergebot “knallhart” (NJW 99, 3253, 3256). Danach führen Verletzungen des Zitiergebots zur Nichtigkeit der Verordnung. Unerheblich ist, ob es sich bei dem Verstoß um ein rein redaktionelles Versehen handelt, das seinen Grund im Verlauf des Gesetzgebungsverfahren hat, oder andere Umstände für die Nachlässigkeit verantwortlich sind.
Die Änderungen bei den Fahrverboten sind nämlich erst auf Initiative des Bundesrats nachträglich in die Verordnung aufgenommen worden. Es gibt hier keine “Teilnichtigkeit” der unmittelbar von dem Verstoß betroffenen Regelungen zum Fahrverbot. Eine solche “Aufsplittung” führt nämlich zu massiver Rechtsunsicherheit in Bezug darauf, welche Teile der Verordnung nun wirksam sind und welche nicht. Vielmehr ist die gesamte Neuregelung unwirksam!
Für Autofahrer gilt daher folgendes:
- Wem derzeit ein Bußgeld oder gar ein Fahrverbot droht sollte also sofort fachliche Hilfe in Anspruch nehmen.
- Ein Verteidiger wird sich schon bei der Bußgeldbehörde auf die Unwirksamkeit der Neuregelungen berufen.
- Lenkt diese nicht ein, macht er die Unwirksamkeit beim Amtsgericht geltend machen.
- Wird der Betroffene dennoch verurteilt, muss zwingend Rechtsmittel eingelegt werden.
05.07.2020
Uwe Karsten
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Referat Vereinsrecht und Datenschutz