Die seit Mai 2018 geltende europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stellt zwar eine große Zahl von Datenschutzvorschriften auf, bleibt jedoch in vielen Punkten auslegungsfähig.

(Landgericht Würzburg, September 2018 + Landgericht Bochum, August 2018)

Pro: LG Würzburg

Das Landgericht (LG) Würzburg musste sich mit der Frage befassen, ob ein Verstoß gegen die DSGVO einen Rechtsbruch im Sinne des § 3a UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) darstellt (Urteil vom 13. September 2018, AZ: 11 O 1741/18 UWG).

Im konkreten Fall hatte eine Rechtsanwältin eine unverschlüsselte Webseite ohne DSGVO-konforme Datenschutzerklärung betrieben. Das Gericht ging davon aus, dass es sich bei den Verstößen gegen die (im Urteil nicht explizit genannten) Vorschriften der DSGVO um Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht handelt und untersagte der Rechtsanwältin den Weiterbetrieb der Website.

Dass wegen nicht erfüllter Informationspflichten und einer unverschlüsselten Website ein Verstoß gegen die DSGVO vorlag, ist unumstritten. Die Aufsichtsbehörde verhängt in solchen Fällen ein Bußgeld. Die viel diskutierte Frage dreht sich aber darum, ob solch ein datenschutzrechtlicher Verstoß auch wettbewerbsrechtlich abmahnbar ist. Wenn ja, bedeutet dies, dass Wettbewerber direkt gerichtlich über das UWG gegen die Datenschutzverstöße ihrer Mitbewerber vorgehen können.

In der Literatur und von den Behörden gibt es zu dieser Frage keine eindeutige Meinung oder Aussage. Zum Teil geht man davon aus, dass die DSGVO in Kapitel VIII (Art. 77 bis 84 DSGVO) die Rechtsbehelfe gegen Verstöße abschließend regelt. Für ein Vorgehen über das UWG wäre damit kein Platz. Andere sind der Ansicht, dass nur bestimmte Verstöße gegen die DSGVO nach UWG abmahnbar sind, da nicht alle Vorschriften „zumindest auch die Interessen von Wettbewerbern als Marktteilnehmer schützen“ (Art. 3a UWG), sondern der Schutz der DSGVO grundsätzlich nur natürlichen Personen dient. Wieder andere halten jeden Verstoß für abmahnbar, da die Nichteinhaltung der DSGVO immer einen relevanten Marktvorteil darstellt, wenn andere Wettbewerber Zeit und Geld in die Umsetzung der neuen Gesetze stecken mussten.

Eine klare Antwort der Rechtsprechung zu dieser Thematik wäre also äußerst hilfreich. Das LG Würzburg liefert sie aber nicht und geht auf keinen der genannten Streitpunkte ein. Es geht in der Urteilsbegründung schlicht „mit OLG Hamburg (3 U 26/12) und dem OLG Köln (8 U 121/15) […] davon aus, dass es sich bei den Vorschriften, gegen die hier verstoßen wurde um Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht“ handelt.

Die damaligen OLG-Entscheidungen betreffen jedoch noch das frühere Datenschutzrecht unter dem alten Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), das die Datenschutzrichtlinie 95/46/EG umsetzte. Anstatt sich nun mit der DSGVO und deren Erwägungsgründen auseinanderzusetzen, verwies das LG Würzburg einfach auf die alten Gerichtsurteile und erläuterte dabei nicht einmal, warum trotz neuer Rechtslage der vorliegende Fall gleich zu behandeln ist.

Insgesamt beantwortet das LG Würzburg also die Frage, ob datenschutzrechtliche Verstöße abmahnfähig sind, mit einem „Ja“. Das „Warum“ bleiben die Richter jedoch schuldig.

Contra: LG Bochum

Zu einem entgegengesetzten Urteil in einem ähnlichen Fall kam das LG Bochum (Urteil vom 07.08.2018, Az.: I-12 O 85/18) und lieferte erfreulicherweise eine Begründung mit:

Wie in der Sache des LG Würzburg lag ein Verstoß gegen Art. 13 DSGVO vor – die Informationspflichten waren nicht erfüllt worden. Das Gericht vertrat hier aber die bereits angesprochene Auffassung, dass die Art. 77 bis 84 DSGVO Ansprüche von Mitbewerbern ausschließt und eine abschließende Regelung darstellt. Für das UWG ist damit kein Platz. Die Kammer betonte an dieser Stelle auch, dass diese Frage in der Literatur umstritten und die Meinungsbildung noch im Fluss sei.

Wie bei allen neuen Gesetzen wird sich eine gefestigte Rechtsprechung zu den Streitfragen erst im Laufe der Zeit entwickeln. Was für Juristen einen interessanten Prozess darstellt, ist für die Unternehmen allerdings eine schwer zumutbare Rechtsunsicherheit.

Interessant ist vor diesem Hintergrund ein Gesetzesentwurf zur Anpassung des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) und des UWG, der vom Land Bayern am 6. Juli 2018 eingebracht wurde. Darin sollen „Anpassungen im Zivilrecht“ vorgenommen werden, unter anderem durch eine neue Passage im UWG, welche die DSGVO-Vorschriften ausnimmt. Damit wäre klargestellt, dass Datenschutzverstöße nach DSGVO eben nicht wettbewerbsrechtlich abmahnbar sind.

Es bleibt abzuwarten, ob sich eine solche „Abmahnbremse“ im Gesetzgebungsverfahren durchsetzt.

06.11.2018

Referat Datenschutzrecht

Uwe Karsten
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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