Weihnachts- und Urlaubsgeld dürfen auf den Mindestlohn angerechnet werden (BAG, 25.05.16,
5 AZR 135/16)
Im Arbeitsvertrag einer vollzeitbeschäftigten Mitarbeiterin war festgelegt, dass sie einen Stundenlohn von 8,03 € erhält. Zudem war ihr jeweils ein halbes Monatsgehalt Weihnachts- und Urlaubsgeld im Jahr zugesichert, insgesamt also ein ganzes Monatsgehalt.
Im Dezember 2014 – kurz vor Einführung des Mindestlohngesetzes (MiLoG) – löste der Arbeitgeber das Mindestlohnthema dahingehend, dass er mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Auszahlung der Jahressonderzahlungen schloss:
Er verteilte die Sonderzahlungen auf das gesamte Jahr und zahlte der Mitarbeiterin ab Januar 2015 pro Monat je 1/12 des Urlaubs- und des Weihnachtsgelds aus, wobei er diese Zahlungen auf den Mindestlohn anrechnete. Die Mitarbeiterin kam jetzt auf einen Stundenlohn von 8,69 €, womit nach der Rechnung des Arbeitgebers die Anforderungen des gesetzlichen Mindestlohns erfüllt waren.
Mitarbeiterin pochte auf zusätzliche Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld
Damit war die Mitarbeiterin aber nicht einverstanden. Sie war der Ansicht, ihr Monatsgehalt und die Jahressonderzahlungen müssten ebenso wie die vertraglich zugesagten Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 8,50 € brutto/Stunde geleistet werden. Ansonsten hätte sie ja keinen Vorteil von der Einführung des Mindestlohns.
Im Arbeitsvertrag stehe, dass das Urlaubsgeld „zusätzlich“ gezahlt werde. Die Betriebsvereinbarung sei nichtig, weil sie dazu diene, das MiLoG zu unterlaufen, so die Mitarbeiterin.
BAG entscheidet: Jahressonderzahlungen sind auf den Mindestlohn anrechenbar
Die Richter des BAG entschieden, die Mitarbeiterin habe auf der Basis des MiLoG keinen Anspruch auf ein erhöhtes Monatsgehalt und erhöhte Jahressonderzahlungen. Der gesetzliche Mindestlohn sei ein eigenständiger Anspruch unabhängig von den bisherigen Anspruchsgrundlagen, verändere diese aber nicht.
Der nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden bemessene Mindestlohnanspruch der Klägerin für den Zeitraum Januar bis November 2015 sei – einschließlich der monatlich geleisteten Jahressonderzahlungen – erfüllt.
Denn Arbeitgeber könnten Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld in bestimmten Fällen mit dem regulären Gehalt verrechnen. Die Zahlungen dürften herangezogen werden, um die gesetzliche Lohnuntergrenze von 8,50 € pro Stunde zu erfüllen
Klar ist jetzt: Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind auf den Mindestlohn anrechenbar
Voraussetzung: Urlaubs- und Weihnachtsgeld stellen eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung dar. Verfolgen die Zahlungen andere Zwecke, können sie nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden.
Beispiel: Sie zahlen das Urlaubsgeld, um erhöhte Aufwendungen des Mitarbeiters im Urlaub abzudecken, oder das Weihnachtsgeld, um die vergangene und zukünftige Betriebstreue zu belohnen.
Anrechenbarkeit von Entgeltbestandteilen auf den Mindestlohn
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19.7.2016 Uwe Karsten, Rechtsanwalt, Fachanwalt für ArbR