Seit dem 21.03.2016 steht es nun fest: Der Widerrufsjoker gehört nach dem 21.06.2016 in weiten Teilen der Vergangenheit an. Trotz massiver Kritik der Verbraucherschützer  verabschiedeten die verantwortlichen Gremien ein entsprechendes Gesetz.  Die Vereinbarkeit der Vorschrift mit dem Grundgesetz (vor allem mit Blick auf die sehr kurze Übergangsfrist von nur drei Monaten) ist mehr als fraglich, weswegen diese Änderung höchstwahrscheinlich noch das Bundesverfassungsgericht beschäftigen wird. Gleichwohl werden wir die Auswirkungen des Gesetztes zunächst akzeptieren müssen, da die Entscheidungswege bis zum Bundesverfassungsgericht weit sind.

Folgende Auswirkungen ergeben sich aus den Neuregelungen:

Für zahlreiche Kredite dürfte auch nach dem 21.03.2016 eine Widerrufsmöglichkeit bestehen.

Entscheidend ist der Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages. Das neue Gesetz mit dem sperrigen Namen (Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften in Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB) formuliert wie folgt:

Bei Immobiliardarlehensverträgen gemäß § 492 Absatz 1a Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (…), die zwischen dem 1. September 2002 und dem 10. Juni 2010 geschlossen wurden, erlischt ein fortbestehendes Widerrufsrecht spätestens drei Monate nach dem 21. März 2016, wenn das Fortbestehen des Widerrufsrechts darauf beruht, dass die dem Verbraucher erteilte Widerrufsbelehrung den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht entsprochen hat.

Im Einzelnen heißt das folgendes:

Kredite aus der Zeit vor dem 10. Juni 2010

Für Verbraucher, die vor dem 10. Juni 2010 einen Immobilienkredit aufgenommen haben, bleibt –und hier ist das Gesetz eindeutig – leider nicht mehr viel Zeit. Wer noch von den erheblichen Ersparnissen profitieren möchte, wird vom Gesetzgeber zum Handeln gezwungen.

Um überstützte und möglicherweise nachteilige Entscheidungen zu vermeiden, sollten sich Betroffene vor der Ausübung eines Widerrufs ausführlich beraten lassen. Gern helfen wir Ihnen, die Chancen und Risiken eines Widerrufs unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des jeweils zuständigen Instanzgerichts in Ihrem Fall realistisch einzuschätzen. Gemeinsam können wir dann den erfolgversprechendsten Weg für Sie festlegen.

Kredite aus der Zeit nach dem 10. Juni 2010

Darlehen, die nach dem 10. Juni 2010 aufgenommen worden sind, können weiter widerrufen werden. Allerdings gilt es einiges zu beachten.

§ 356b BGB wurde mit Wirkung zum 21. März 2016 der folgende Satz hinzugefügt:

„Das Widerrufsrecht bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag erlischt spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem Vertragsschluss oder nach dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt, wenn dieser nach dem Vertragsschluss liegt.“

Diese Änderung bietet allerdings keinen Grund zur Sorge, denn das Gesetz wirktlediglich für zukünftige Verträge. Die bereits erwähnte Übergangsvorschrift (Art. 229 § 38 EGBGB) stellt in Absatz 1 ausdrücklich klar, dass für Verbraucherdarlehensverträge die vor dem 21. März 2016 abgeschlossen worden sind, die alte Rechtslage gilt. Die umstrittene Rückwirkung des Gesetzes bezieht sich ausdrücklich nur auf Darlehensverträge, die zwischen dem 1. September 2002 und dem 10. Juni 2010 geschlossen wurden.

Fehlerhafte Widerrufsbelehrung erforderlich

Voraussetzung für einen wirksamen Widerruf ist und bleibt weiterhin eine fehlerhafte Widerufsbelehrung. Und genau eine solche findet sich in zahlreichen Darlehensverträgen aus dieser Zeit. Entsprechende Feststellungen gibt es mittlerweile  von verschiedenen Land- und Oberlandesgerichten Betroffen sind insbesondere Sparkassen und Kreissparkassen, ING DiBa, einige Landesbanken, vereinzelt auch Volksbanken und die DSL-Bank.

Beispiel Sparkasse

Beispielhaft für eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung aus der Zeit nach dem 10. Juni 2010 dürfen wir folgende Belehrung des Sparkassenverbandes zitieren:

„Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs.2 BGB (z.B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrages, Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat.“

Problematisch ist vorliegend, dass es sich bei den in Klammern aufgeführten Pflichtangaben in Wirklichkeit um keine Pflichtangaben für Immobilienkredite handelt, sondern um Pflichtangaben für einen herkömmlichen Konsumentenkredit. Das Gericht begründet seine Entscheidung wie folgt:

„So sind die in der Klammer als Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB aufgeführten Beispiele „Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrages und Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde“ tatsächlich gar keine Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB. Insofern ist die Vertragsklausel auch unrichtig und irreführend, weil der Beginn der Widerrufsfrist an gar nicht zwingend erforderliche und teilweise sogar gar nicht vorhandene Angaben geknüpft wird.“ (bestätigt durch Urteil vom 25.02.2016 – 6 O 6071/15)

Diese verbraucherfreundliche Rechtsauffassung wurde inzwischen von unterschiedlichen Gerichten bestätigt.

Nutzungsentschädigung

Nachdem die Instanzgerichte sich in den vergangenen Jahren nicht darüber einigen konnten, ob dem Darlehensnehmer eine Nutzungsentschädigung zusteht und wenn ja in welcher Höhe, sprach der BGH in seinem Beschluss vom 12.01.2016 –XI ZR 366/15endlich ein Machtwort. Der für das Bankenrecht zuständige 11. Senat machte unmissverständlich deutlich, dass der Darlehensnehmer nach dem Widerruf seines Kredits von der Bank eine Verzinsung der geleisteten Raten verlangen kann. Durch den Widerruf werde der Verbraucher, so der BGH: „jedenfalls in Teilen – so gestellt (…), als habe er eine verzinsliche Wertanlage getätigt. Im konkreten Fall belaufen sich die Vorteile, die die Kläger nach diesen Maßgaben aus der Umwandlung des Darlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis herleiten können, auf mehr als 20.000 €.“

Fazit

Für alle Verträge, die bis zum 10. Juni 2010 geschlossen wurden gibt es akuten Handlungsbedarf, wenn Sie noch die Chance nutzen wollen, ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung aus den Verträgen auszusteigen. Ein Widerruf der Verträge aus der Zeit nach dem 10. Juni 2010 aufgrund fehlerhafter Widerrufsbelehrungen ist auch nach dem 21.06.2016 möglich. Es besteht für diese Verträge auch zukünftig die Möglichkeit des Widerrufs, soweit die übrigen Voraussetzungen gegeben sind.

In beiden Fällen prüfen wir gern die von Ihnen unterzeichnete Widerrufsbelehrung und geben Ihnen eine erste kostenfreie Einschätzung für ein mögliches Vorgehen.

Kontaktieren Sie uns zeitnah unter freimann@dr-fingerle.de oder 0341/940167-29.

Daniela Freimann

Rechtsanwältin

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