(VG Augsburg, Urteil v. 09.09.2019, Au 7 K 18.1240)
Mit mehr als 1,6 Promille war eine Frau auf dem Fahrrad im Straßenverkehr unterwegs. Weil sie sich weigerte, sich einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) zu unterziehen, wurde ihr die Erlaubnis zum Fahrradfahren entzogen: Auch das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge kann untersagt werden, wenn jemand ungeeignet erscheint und den Eindruck nicht widerlegt.
Eine Frau, die am 8. Juni 2016 mit dem Rad unterwegs war, wurde von der Polizei kontrolliert, weil sie einen alkoholisierten Eindruck machte. Die Blutuntersuchung ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,77 Promille. Bei der Befragung gab sie zudem an, dass sie am Vorabend auch mehrmals an einem Joint gezogen habe.
Die Frau, die nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war, sondern nur berechtigt war, ein Fahrrad oder ein Mofa mit Mofa-Prüfbescheinigung zu führen, war bereits 2013 im Straßenverkehr auffällig geworden. Damals war sie radelnd mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,86 Promille unterwegs und zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
Das Amtsgericht verurteilte sie wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe. Die Stadt forderte die Frau auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten („Idiotentest“) vorzulegen, um ihre Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge zu prüfen.
Der Aufforderung kam die Frau nicht nach. Daraufhin untersagte ihr die Behörde, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge (Fahrrad, Mofa und Fahrzeuge gemäß § 4 Abs. 1 FeV) zu führen. Sie wurde verpflichtet, ihre Mofa-Prüfbescheinigung innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt abzugeben.
Auch Mofa und Fahrrad sind Fahrzeuge deren Führen bei Nichteignung untersagt werden kann
Die Behörde begründete den Bescheid so:
- Die Frau habe sich als ungeeignet erwiesen, Fahrzeuge zu führen,
- zu denen auch Mofas und Fahrräder gehören.
- Auf ihre Nichteignung könne aufgrund der fehlenden Vorlage des (MPU)-Gutachtens geschlossen werden.
Die MPU-Untersuchung sei nach dem Bundesverwaltungsgericht auch bei einer Fahrradfahrt mit 1,6 Promille oder mehr anzuordnen, auch wenn der Betroffene nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis sei. Stark alkoholisierte Teilnahme am Straßenverkehr stelle, so die Behörde, mit jedem Fahrzeug eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit dar.
Erweist sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen oder Tieren, hat die Fahrerlaubnisbehörde ihm das Führen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen. § 3 Abs.1 iVm FeV
Nachdem der Widerspruch der Frau zurückgewiesen worden war, erhob sie Klage, blieb aber ohne Erfolg.
Das Verwaltungsgericht Augsburg entschied, dass die beklagte Behörde zu Recht darauf geschlossen habe, dass die Klägerin nicht zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen geeignet sei, weil sie das psychologische Gutachten nicht beigebracht habe (§ 3 Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeVFahrerlaubnis-Verordnung [FEV ]).
Zum alkoholisierten Fahrradfahren führte das Gericht aus:
- Ein medizinisch-psychologisches Gutachten ist beizubringen, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde.
- Gemäß § 3 Abs. 2 FeV gelte dies auch für die Untersagung des Rechts zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge.
- Nehme eine Person mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille als Fahrradfahrer am Straßenverkehr teil, so ergeben sich hieraus nicht nur Zweifel an der Eignung Kraftfahrzeuge zu lenken.
- Es bestehe auch der Grund zur Besorgnis, dass die Person künftig erneut bereit sein könnte, in erheblich alkoholisiertem Zustand Fahrräder oder andere Fahrzeuge, die ohne Fahrerlaubnis gelenkt werden dürfen, im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
Das Gericht wies zudem darauf hin, dass es hinsichtlich der Forderung nach der Vorlage eine medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtlich unbeachtlich sei, wenn derjenige, der durch eine Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad auffällig geworden ist, nie eine Fahrerlaubnis besessen habe und auch in Zukunft keine Fahrerlaubnis erwerben wolle.
Es liege auf der Hand, dass Verkehrsunfälle, die ungeeignete Fahrer fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge verursachen, ebenfalls mit schwerwiegenden Folgen für Gesundheit, Leben und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer verbunden sein können.
Wie das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt habe, bedeute eine Teilnahme am Straßenverkehr unter erheblicher Alkoholisierung mit jedem Fahrzeug eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs (BVerwGE, Urteil v. 21.05.2008, 3 C 32/07). Diese Einschätzung liegt auch § 316 StGB zugrunde, der nicht nur die Trunkenheit mit einem Kraftfahrzeug unter Strafe stellt. Radfahrer sind mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille absolut fahruntüchtig.
29.11.2019
Referat Verkehrsrecht
Uwe Karsten
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Referat Vereinsrecht und Datenschutz