Die zum Unfallzeitpunkt 16-jährige Klägerin war zu zwei Bekannten ins Auto gestiegen. Nach kurzer Fahrt kam das vom damals 21-jährigen Beklagten geführte Fahrzeug von der Kreisstraße ab und kollidierte mit Straßenbäumen. Der Fahrer und die Klägerin erlitten schwere Verletzungen. Der weitere Beifahrer verstarb noch an der Unfallstelle. Die Klägerin erlitt u. a. ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und ist seit dem Unfall schwerbehindert. Sie benötigt eine Betreuung rund um die Uhr und besucht eine Einrichtung zur Förderung von behinderten Menschen in Rostock. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten zahlte ein Schmerzensgeld von 30.000 € an die Klägerin. Die Klägerin verlangt vom Beklagten und dessen Haftpflichtversicherung ein weiteres Schmerzensgeld von mindestens 320.000 € sowie eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von mindestens 500 € monatlich sowie den Ersatz ihres Verdienstausfalls. Das LG hat nach Beweisaufnahme festgestellt, dass die Klägerin als Beifahrerin auf der Rückbank des klägerischen Fahrzeuges beim Unfall nicht angeschnallt war und sie bei Anlegen des Sicherheitsgurtes einen wesentlichen Teil der Verletzungen nicht erlitten hätte. Das LG hat deshalb das bereits gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 € für ausreichend erachtet und die Klage abgewiesen.

Das OLG hat in der Sache ein Grundurteil erlassen, mit dem festgestellt wird, dass die geltend gemachten Ansprüche (Schmerzensgeld, monatliche Schmerzensgeldrente, Verdienstausfall ab dem Unfall bis zum fiktiven Renteneintritt und weiterer Schadensersatz) zu 2/3 berechtigt sind. Das LG hatte die Klage abgewiesen, weil die Beklagten durch eine Schmerzensgeldzahlung von 30.000 € die Ansprüche erfüllt hätten. Abweichend vom LG hat der Senat nunmehr entschieden, dass die Mitverursachung nicht danach zu bemessen ist, welche unfallbedingten Verletzungen der Klägerin aus dem nicht angelegten Sicherheitsgurt resultieren. Vielmehr hat eine Gesamtbetrachtung der Schadensentstehung und eine Abwägung aller Umstände zu erfolgen. Um eine so zu bildende Mithaftungsquote sind dann die Ansprüche zu kürzen. Vorliegend hat das OLG die Mitverursachung der Klägerin mit 1/3 bemessen, weil der Anteil des Unfallverursachers, der die zulässige Geschwindigkeit von 80 km/h um mehr als 25 % überschritten und eine Kurve geschnitten hatte, deutlich überwogen habe. Durch das Grundurteil besteht die Möglichkeit, im Wege einer Nichtzulassungsbeschwerde ggf. die Überprüfung durch den BGH herbeizuführen. Da die genauen gesundheitlichen Folgen für die Klägerin und auch ihre Verdienstchancen noch nicht feststehen, wird der Senat weiteren Beweis zu erheben haben. (OLG Rostock, Urt. v. 25.10.2019 – 5 U 55/17)

Fazit: Die Mitverursachung nach einem Unfall ist nicht danach zu bemessen, welche unfallbedingten Verletzungen der Klägerin aus dem nicht angelegten Sicherheitsgurt resultieren. Vielmehr hat eine Gesamtbetrachtung der Schadensentstehung und eine Abwägung aller Umstände zu erfolgen. Um eine so zu bildende Mithaftungsquote sind dann die Ansprüche zu kürzen.

15.11.2019

Referat Verkehrsrecht

Uwe Karsten
Rechtsanwalt
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