Der VerfGH des Saarlandes hat der Verfassungsbeschwerde eines Kraftfahrers gegen seine Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung stattgegeben. Der betroffene Kraftfahrer war wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 27 km/h innerorts zu einer Geldbuße von 100 € verurteilt worden.
Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte durch ein Gerät der Firma Jenoptik (Typ Traffistar S 350). Bei dem Gerät handelt es sich um ein durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zugelassenes Messgerät. Ob die Messungen mit dem Gerät Traffistar S 350 verwertbar sind, ist in der bußgeldrechtlichen Rechtsprechung höchst umstritten.
Im Bußgeldverfahren hatte der Kraftfahrer beantragt, ein Sachverständigengutachten einzuholen zu der von ihm erhobenen Behauptung, dass bei dem Messgerät des Typs Traffistar S 350 die Möglichkeit ausgeschlossen sei, die Messung sachverständig überprüfen zu lassen, da das Gerät nicht alle Messdaten speichere. Die im Bußgeldverfahren befassten Gerichte sind dem nicht nachgekommen und bei ihren Entscheidungen davon ausgegangen, dass trotz der fehlenden Speicherung aller Messdaten der Geschwindigkeitsverstoß festgestellt werden kann und die Daten zur Grundlage der Verurteilung gemacht werden können, da bei einem von der PTB zugelassenen Messgerät die Gerichte grundsätzlich von der Richtigkeit der Messung ausgehen könnten (sog. standardisiertes Messverfahren).
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der betroffene Kraftfahrer u. a. eine Verletzung seines Rechts auf ein faires Verfahren, da ihm durch die fehlende Speicherung aller Messdaten die Möglichkeit genommen werde, Messfehler aufzuzeigen. Der VerfGH hat zu der Frage, welche Daten des Messvorgangs erforderlich sind, um eine valide nachträgliche Überprüfung von Geschwindigkeitsmessungen zu ermöglichen, drei Sachverständige angehört. Sachverständig beraten ist der Verfassungsgerichtshof zur Auffassung gelangt, dass die derzeit von dem Gerät Traffistar S 350 gespeicherten Daten keine zuverlässige nachträgliche Kontrolle des Messergebnisses erlauben, eine solche aber bei einer – ohne größeren Aufwand technisch möglichen – Speicherung der sog. Rohmessdaten möglich wäre.
Der VerfGH hat entschieden, dass die angegriffenen Entscheidungen die Grundrechte des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren und effektive Verteidigung verletzen. Er bezweifelt nicht, dass die Geschwindigkeitsmessung durch das Gerät Traffistar S 350 ein standardisiertes Messverfahren darstellt. Die mit Traffistar S 350 gewonnenen Messergebnisse können daher durchaus zur Grundlage einer Verurteilung gemacht werden.
Wenn sich ein Betroffener jedoch gegen das Messergebnis wendet, muss er nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs die Möglichkeit haben, die Validität der standardisierten Messung zu überprüfen. Das ist auch dann der Fall, wenn er zunächst keinen auf der Hand liegenden Einwand – etwa sich aus dem Lichtbild offenkundig ergebende Unklarheiten – vortragen kann. Denn zu einer wirksamen Verteidigung gehört auch, nachforschen zu können, ob es bislang nicht bekannte Zweifel an der Tragfähigkeit des Vorwurfs gibt. Dies ist dem Beschwerdeführer aber mangels Speicherung der Rohmessdaten verwehrt. Da die Ergebnisse des Messverfahrens mit dem Gerät Traffistar S 350 wegen der verfassungswidrigen Beschränkung des Rechts auf wirksame Verteidigung unverwertbar sind, hat der VerfGH die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben. Er hat darauf hingewiesen, dass die Entscheidung nur die saarländischen Gerichte im konkreten Fall bindet, er aber in gleich gelagerten Fällen abweichende Entscheidungen saarländischer Gerichte korrigieren wird. (VerfGH Saarland, Urteil v. 05.07.2019 – Lv 7/17)
Fazit: Die von dem Gerät Traffistar S 350 gespeicherten Daten erlauben keine zuverlässige nachträgliche Kontrolle des Messergebnisses, obwohl eine solche aber bei einer – ohne größeren Aufwand technisch möglichen – Speicherung der sog. Rohmessdaten möglich wäre. Ein Betroffener, der sich gegen das Messergebnis wendet, muss die Möglichkeit haben, die Validität der standardisierten Messung zu überprüfen.
01.08.2019
Referat Verkehrsrecht
Uwe Karsten
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Betrieblicher Datenschutzbeauftragter