Der Kläger wurde von der späteren Schuldnerin von 2008 bis 2012 zum Metallbauer ausgebildet. Ihm stand zuletzt eine monatliche Ausbildungsvergütung von 495,20 € brutto zu. In einem nach Abschluss seiner Ausbildung eingeleiteten Rechtsstreit schloss er im Oktober 2012 vor dem ArbG mit der Schuldnerin einen Vergleich, in dem sich diese verpflichtete, rückständige Ausbildungsvergütung von 2.800,00 € netto zu zahlen. Zahlungen erfolgten jedoch erst im Dezember 2012 und Januar 2013 unter dem Druck von Zwangsvollstreckungs-maßnahmen, die der Kläger eingeleitet hatte. Am 15.09.2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Eröffnungsbeschluss nennt als Grundlage der Eröffnung neben zwei Anträgen aus dem Jahr 2014 ausdrücklich auch einen bereits am 07.10.2010 – und damit mehr als zwei Jahre vor der Zahlung der rückständigen Ausbildungsvergütung – gestellten Insolvenzantrag. Der Insolvenzverwalter verlangt mit seiner Widerklage die Rückzahlung der vom Kläger erstrittenen Ausbildungsvergütung. Der Kläger hat geltend gemacht, es sei nicht nachvollziehbar, warum das Verfahren auch auf den Antrag v. 07.10.2010 hin eröffnet worden sei. Zudem könne ihm durch die Anfechtung nicht die Ausbildungsvergütung entzogen werden, die auch sein Existenzminimum habe sichern sollen.
Das ArG hat die Widerklage abgewiesen. Das LAG hat auf die Berufung des Beklagten der Widerklage stattgegeben. Die Revision des Klägers hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Die ArbG waren als sog. Prozessgerichte im Anfechtungsstreit daran gebunden, dass das AG als Insolvenzgericht im rechtskräftig gewordenen Eröffnungsbeschluss auch den Insolvenzantrag v. 07.10.2010 als Eröffnungsgrundlage bestimmt hatte. Anlass, eine verfassungsrechtlich legitimierte Anfechtungssperre bei Druckzahlungen zu erwägen, besteht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht, weil der Arbeitnehmer in solchen Fällen die zur Absicherung des Existenzminimums vorgesehenen und geeigneten staatlichen Hilfen wie Grundsicherung und Insolvenzgeld in Anspruch nehmen kann. Daran hat der Senat auch für den Fall der Rückforderung einer Ausbildungsvergütung im Wege der Insolvenzanfechtung festgehalten. (BAG, Urt. v. 26.10.2017 6 AZR 511/16)
Fazit: Zahlungen des ArbG an AN und Auszubildende, die nicht in der geschuldeten Art erfolgen, können vom späteren Insolvenzverwalter gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ohne weitere Voraussetzungen zur Masse zurückgefordert werden, wenn die Zahlungen nach dem Insolvenzantrag vorgenommen worden sind, der zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt hat.
10.11.2017
Referat Arbeitsrecht
Uwe Karsten
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Human Resources Coach
Managing Partner