Versetzung – Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung

Der Kläger ist seit dem Jahr 2001 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Er war zuletzt als Immobilienkaufmann am Standort Dortmund eingesetzt. Zwischen den Parteien war im Jahre 2013/14 ein Kündigungsrechtsstreit anhängig, der zugunsten des Klägers ausging. Nachdem Mitarbeiter im März 2014 eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger abgelehnt hatten, teilte die Beklagte ihm mit Schreiben v. 23.02.2015 mit, dass sie ihn für die Zeit v. 16.03. bis zum 30.09.2015 am Standort Berlin einsetzen werde; eine Beschäftigungsmöglichkeit in Dortmund außerhalb dieses Teams bestehe nicht. Nachdem der Kläger seine Arbeit am Standort Berlin nicht aufgenommen hatte, mahnte ihn die Beklagte mit Schreiben v. 26.03.2015 ab. Im April erfolgte eine weitere Abmahnung. Mit Schreiben v. 28.05.2015 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Mit der vorliegenden Klage möchte der Kläger u.a. festgestellt wissen, dass er nicht verpflichtet war, der Weisung v. 23.02.2015 Folge zu leisten. Des Weiteren begehrt er die Entfernung der Abmahnungen aus seiner Personalakte. In einem weiteren Verfahren (- 2 AZR 329/16 -) wendet er sich gegen die Wirksamkeit der Kündigung. ArbG und LAG haben der Klage stattgegeben.

Über die Revision der Beklagten kann noch nicht entschieden werden. Die Auffassung des LAG, die Bestimmungen des Arbeitsvertrags der Parteien ließen zwar grundsätzlich eine Änderung des Arbeitsortes des Klägers zu, die Versetzung von Dortmund nach Berlin habe aber nicht billigem Ermessen entsprochen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Fünfte Senat hat allerdings die Auffassung vertreten, dass sich ein Arbeitnehmer über eine unbillige Weisung, die nicht aus anderen Gründen unwirksam sei, nicht hinwegsetzen dürfe, solange keine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliege, die deren Unwirksamkeit feststelle. Der Zehnte Senat möchte hingegen die Auffassung vertreten, dass der Arbeitnehmer einer unbilligen Weisung des Arbeitgebers nicht – auch nicht vorläufig – folgen muss und fragt deshalb nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG an, ob der Fünfte Senat an seiner Rechtsauffassung festhält.(BAG, Beschl. v. 14.06.2017 – 10 AZR 330/16).

Fazit: Der Zehnte Senat des BAG möchte die Auffassung vertreten, dass der Arbeitnehmer im Anwendungsbereich des § 106 GewO eine unbillige Weisung des Arbeitgebers auch dann nicht befolgen muss, wenn keine dementsprechende rechtskräftige Entscheidung der Gerichte für Arbeitssachen vorliegt. Damit weicht der Senat von der Rechtsprechung des Fünften Senats (22. Februar 2012 – 5 AZR 249/11 – Rn. 24, BAGE 141, 34) ab. Der Zehnte Senat fragt deshalb nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG an, ob der Fünfte Senat an seiner Rechtsauffassung festhält.

01.08.2017

Uwe Karsten
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Referat Arbeitsrecht

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