Anfechtungsreform –
Auswirkungen für den Gläubiger und Bargeschäftsprivileg

I. Allgemeine Einführung

Viele kleine und mittelständige Unternehmen kennen die Problematik, dass die nach zähem Ringen noch Zahlungen vom Insolvenzschuldner erhalten haben. Mitunter werden hier die Zahlungen erst nach Vereinbarung einer Ratenzahlungsvereinbarung vom Schuldner geleistet. Nach einigen Jahren tritt dann für den Gläubiger die missliche Situation ein, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde und der Insolvenzverwalter die Zahlungen anficht und zur Masse zurückverlangt.
Die Regelungen der §§ 129 ff. InsO sind für den normalen Gläubiger nachvollziehbar, da er sicher geglaubte Gelder dann wieder an den Insolvenzverwalter unter Umständen zurückerstatten muss. Dies folgt aus dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung gemäß § 1 InsO.
Dem kann man jedoch dadurch begegnen, dass man bereits im Rahmen der Verhandlungen mit dem Schuldner einige wichtige Verhaltensmaßregeln beachtet.
Dies unterstützt auch die neue Reform der Insolvenzanfechtung aus dem Jahr 2017, die nunmehr als Gesetzentwurf durch den Bundestag am 16.02.2017, Bundestagsdrucksache 18/111 neu verabschiedet worden ist und am 05.04.2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlich wurde. Nach der bisherigen Rechtslage konnte der Insolvenzverwalter sogar Zahlungen bis zu 10 Jahren gem. § 133 Abs. 1 InsO vor dem Insolvenzantrag anfechten und zur Masse zurückfordern, sofern dem Gläubiger die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bekannt war bzw. wenn Umstände dem Gläubiger bekannt waren, die für ein Vorliegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit beim Schuldner Anlass geben.

II. Neuerungen durch die Gesetzesreform

Vor der Gesetzesreform wurde bereits eine solche Vermutung zum Teil durch die Rechtsprechung bei Abschluss und Nichteinhaltung einer Ratenzahlungsvereinbarung angenommen. Nach der Neuregelung von § 133 Abs. 1 InsO wird nunmehr eine Vermutungsregel der Unkenntnis der Zahlungsfähigkeit bei Zahlungserleichterung durch den Gesetzgeber gewährt.
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass durch eine Stundungs- oder Ratenzahlungsbitte eine offenbar gewordene Liquiditätslücke mit der Stundung bzw. Ratenzahlungsvereinbarung regelmäßig beseitigt wird.
Diese neue Vermutungsregel zugunsten des Anfechtungsgegners wird daher durch den Insolvenzverwalter nur durch Darlegung und Beweis der Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners beim Anfechtungsgegner unter erhöhten Anforderungen zu widerlegen sein. Die Stundungs- und Ratenzahlungsbitte wird daher nach der neuen Gesetzeslage kein Beweisanzeichen für die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit mehr sein. Weiterhin sind Beweisanzeichen von der Kenntnis einer Zahlungsunfähigkeit und damit der Zahlungsunfähigkeit für folgende Fallgruppen weiterhin für den Gläubiger gefährlich:

  • die Nichteinhaltung einer abgeschlossenen Ratenzahlungsvereinbarung;
  • erheblicher Zahlungsrückstand mit weiteren Zahlungen über mehrere Monate hinweg;
  • Auflaufen von weiteren Verbindlichkeiten bei eigenen Gläubigern;
  • eigene Erklärung des Schuldners, fällige Zahlungspflichten nicht erfüllen zu können;
  • erfolglose Vollstreckungsversuche durch andere Gläubiger.
III. Neuerungen beim Bargeschäft

Auch wurde nunmehr das in der Insolvenzordnung geregelte Bargeschäftsprivileg, welches eine Anfechtung ausschließt, auf den § 133 InsO erstreckt. D. h., wenn der Gläubiger mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung abschließt und diese eingehalten wird, und somit die Zahlung zeitnah nach der Leistungserbringung erfolgt, sind diese Zahlungen nicht mehr anfechtbar. Das Bargeschäftsprivileg umfasst nunmehr grundsätzlich auch die sogenannte Vorsatzanfechtung gem. § 133 InsO n.F. und ist nur dann nicht anwendbar, wenn beim Anfechtungsgegner Kenntnis vom unlauteren Handeln des Schuldners vorliegt.
Von einem Bargeschäft wird immer dann ausgegangen, wenn die ausgetauschten Leistungen mit den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in engen zeitlichen Zusammenhang erfolgen. Bei Arbeitsentgelt wird dies durch die nunmehr kodifizierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei einem Zeitraum von drei Monaten zwischen Arbeitsleistung und Zahlung angenommen.
Bei den übrigen Zahlungen wird für das Bargeschäftsprivileg die 30-Tagesregel zwischen Leistung und Zahlung beibehalten. Insbesondere wird auch die bisher geltende 10-Jahresfrist der Vorsatzanfechtung auf 4 Jahre für Anfechtungen begrenzt, bei denen eine Zahlung auf eine Gegenleistung getätigt wird, die wie vereinbart erfolgt ist.

IV. Vorschläge zur Vermeidung der Anfechtbarkeit

Den betroffenen Gläubiger sollten folgendes beachten:

  1. Sollten bei einem Schuldner Zahlungsschwierigkeiten auftreten, so sollte man umgehend mit dem Schuldner sich ins Benehmen setzen und prüfen, ob nicht eine entsprechende Ratenzahlungsvereinbarung angeschlossen werden kann. Im Rahmen der Ratenzahlungsvereinbarung ist darauf zu achten, dass die Verbindlichkeiten gestundet werden und dass auch die Ratenzahlungen fristgemäß vom Schuldner erbracht werden.
  2. Weiterhin ist auf das sogenannte Bargeschäftsprivileg zu achten, d. h., dass eine zeitnahe Bezahlung der erbrachten Leistungen durch den Schuldner erfolgt. Im Einzelfall ist einem Gläubiger immer dann auch eine vorherige rechtliche Beratung zu empfehlen, um entsprechend spätere mögliche Anfechtungsrisiken ausschließen zu können. Es ist darauf zu achten, dass anfechtungssichere Ratenzahlungsvereinbarungen gewählt werden oder dass mit den Werkzeugen des Bargeschäfts gearbeitet wird.
  3. Auch ist es dem Gläubiger zu empfehlen, etwaige Sicherungsrechte zu nutzen oder gleich zu vereinbaren wie ein verlängerter Eigentumsvorbehalt oder nur die Lieferung unter Eigentumsvorbehalt zu vereinbaren. In diesem Fall kann dann die mögliche Anfechtung des Insolvenzverwalters durch das Sicherungsrecht ausgehebelt werden, in dem dann ein Anspruch auf die Zahlung besteht und die sogenannte Gläubigerbenachteiligung durch die Ausnutzung des sicherungsrechts (Aus- oder Absonderungsrecht) nicht mehr vorliegt.
V. Neuerungen bei der Schenkungsanfechtung

Zudem wurde auch in der Anfechtungsreform der § 134 InsO reformiert, der darlegt, dass die Anfechtung ausgeschlossen ist, wenn sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk richtet. Dann ist die Anfechtung ausgeschlossen. Nach einem aktuellen BGH-Urteil vom 04.02.2016 – IX ZR 77/15 sind gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke dann von geringem Wert und der Anfechtung entzogen, wenn sie zu der einzelnen Gelegenheit den Wert von 200,00 € und im Jahr den Wert von 500,00 € nicht übersteigen.
Wenn diese Grenzen beachtet werden, ist dann auch gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk von Familienangehörigen oder im Rahmen von Firmenjubiläen der Anfechtung entzogen.

VI. Ausblick

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass durch die Anfechtungsreform die Rolle der betroffenen Gläubiger gestärkt wird und bei Beachtung einiger Besonderheiten die beizutreibenden Forderungen für den Gläubiger unter Umständen besser gesichert werden können. Bei weiteren Einzelfragen empfiehlt sich immer eine vorherige rechtliche Beratung.

10.05.2017
Thomas Reichelt
Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter

© 2021 Dr. Fingerle | Rechtsanwälte | Impressum | Datenschutz