Hans Herbert Coen
Rechtsanwalt
Referat Gewerblicher Rechtsschutz/IP-Recht
Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Referat Handels- und Gesellschaftsrecht

 

Die Klägerin ist eine Filmverwerterin. Die Beklagte zu 1), deren Muttergesellschaft die Beklagte zu 2) ist, betreibt die Internetplattform „YouTube“. Beim Hochladen von Videos auf „YouTube“ müssen sich Benutzer registrieren und dabei zwingend ihren Namen, eine eMail-Adresse und ein Geburtsdatum angeben. Für die Veröffentlichung eines Videos von mehr als 15 Minuten Länge muss außerdem eine Telefonnummer angegeben werden. Ferner müssen die Nutzer in die Speicherung von IP-Adressen einwilligen. Die Klägerin macht exklusive Nutzungsrechte an den Filmwerken „Parker“ und „Scary Movie 5“ geltend. Diese Filme wurden in den Jahren 2013 und 2014 von drei verschiedenen Nutzern auf „YouTube“ hochgeladen. Die Klägerin hat die Beklagten auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen. In der Revisionsinstanz streiten die Parteien noch darüber, ob die Klägerin Ansprüche auf Auskunft über die eMail-Adressen, die Telefonnummern und diejenigen IP-Adressen hat, die für das Hochladen der beiden Filme und für den letzten Zugriff auf die Konten der Benutzer genutzt wurden. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Beklagten zur Auskunft über die eMail-Adressen der Benutzer verurteilt, die die Filme hochgeladen haben, und hat die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge und verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Der BGH hat das Verfahren mit Beschl. v. 21.02.2019 ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vorgelegt. Der BGH wollte im Wesentlichen wissen, ob sich die in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/EG geregelte Auskunftspflicht von Personen, die – wie im Streitfall die Beklagten – in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht haben, auch auf die eMail-Adressen, Telefonnummern und IP-Adressen der Nutzer der Dienstleistungen erstreckt. Der EuGH hat über die Fragen durch Urt. v. 09.07.2020 – C-264/19 entschieden.

Der BGH hat der Revision der Beklagten stattgegeben und die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der Auskunftsanspruch über „Namen und Anschrift“ i.S.d. § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG schließt die Auskunft über eMail-Adressen und Telefonnummern der Nutzer der Dienstleistungen nicht ein. Er umfasst auch nicht die Auskunft über die für das Hochladen rechtsverletzender Dateien verwendeten IP-Adressen oder die von den Nutzern der Dienstleistungen zuletzt für einen Zugriff auf ihr Benutzerkonto verwendeten IP-Adressen.

Der Begriff „Anschrift“ i.S.v. § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG deckt sich mit dem Begriff „Adressen“ in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/EG. Diese Richtlinienvorschrift ist nach dem auf die Vorlageentscheidung des Senats ergangenen Urteil des EuGH dahin auszulegen, dass der darin genannte Begriff „Adressen“ sich, was einen Nutzer anbelangt, der durch das Hochladen von Dateien ein Recht des geistigen Eigentums verletzt hat, nicht auf die eMail-Adresse und Telefonnummer dieses Nutzers sowie die für das Hochladen dieser Dateien genutzten IP-Adresse oder die bei seinem letzten Zugriff auf das Benutzerkonto verwendete IP-Adresse bezieht. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Umfangs der Auskunft in § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG über die Regelung in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/EG hinausgehen wollte. Danach ist eine weitere (dynamische) Gesetzesauslegung durch den Senat ebenso ausgeschlossen wie eine analoge Anwendung von § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG. Ein über die Auskunft von „Namen und Anschrift“ i.S.v. § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG hinausgehender Auskunftsanspruch ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen Auskunftsanspruch nach § 242 BGB. (BGH, Urt. v. 10.12.2020 -I ZR 153/17)

Fazit: Ein Betreiber einer Videoplattform muss keine eMail-Adressen, Telefonnummern oder IP-Adressen ihrer Nutzer herausgeben, die urheberrechtlich geschützte Inhalte widerrechtlich auf die Plattform hochgeladen haben.

Referat Zivilrecht

07.10.2022

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